Es gibt gute Weinbeschreibungen, die zergehen im Geist, wie Wein auf der Zunge.
Heute wollen wir ein herausragendes Beispiel dafür unter die Lupe nehmen: Eva Vollmers Weine.
Sollte euch das typische Geblubber von “spitzen Zitrusnoten am Gaumen mit nussigem Schmelz im Abgang” ebenso langweilen wie mich, dann schnallt euch gut an. Euch erwartet nichts geringeres als eine verdammte Offenbarung!
oder zum hören
Das Geblubber ist nämlich eins: Eine technische Beschreibung des Weins.
Würde man derart über einen Ferrari sprechen, dann klänge irgendwie so: Der Motor dreht sich im Ruhezustand mit 600 Umdrehungen und einen verursacht einen erwartbare Geräuschpegel von 67 Dezibel.
Und so versucht ihr Wein zu verkaufen? Zum heulen.
Eine Weinbeschreibung sollte niemals den Nachgeschmack einer durchgelangweilten Bildbeschreibung aus der fünften Klasse hinterlassen. Sie sollte selbst zum Bild werden.
Eval Vollmers Texte sind keine Beschreibungen, sie sind Kunst!
So gehen Weinbeschreibungen
Aber lest selbst:
Weißburgunder Trocken
Da steht auf der Flasche:
“Der rechte Nasenflügel gibt das Aromenpaket postwendend an die gierige Zunge weiter. […]”
Und in der Beschreibung:
“Verbraucherwarnung: Kann wahnsinnig leckere Spuren von Birne, Apfel und Glück enthalten. Spurlos verschwunden ist lediglich die Langeweile. […]”
Und weiter:
“Grund zum Öffnen:
Den Abend retten.”
Oder
Spätburgunder “weißgekeltert”
Da steht auf der Flasche:
“Stell dir vor, wie eine Erdbeere im Zitronenkostüm erst in (oder auf) Deiner Nase herumtanzt, um dann eine Party auf Deiner Zunge zu schmeißen.”
Und in der Beschreibung:
“Dann sprach der Erdbeer zur Pampelmuse: Willst Du meine Frau werden? Und sie schmeckten glücklich und zufrieden bis an den Flaschenboden. Und noch bevor sie sich Gedanken machen können, ob der Erdbeer wirklich männlich ist, oder ob es sich nicht doch um eine gleichgeschlechtliche Genussvermählung handelt, ist auch schon Ihr zweites Glas gefüllt. […]”
Oder
Spätburgunder “Barrique” 2015
Da steht auf der Flasche:
“Ein waschechter Cowboy, der Damenherzen erobernd durch die Lande zieht. Außen bartstoppelig rau und innen lammform.”
Und in der Beschreibung:
“Burgunder-Knigge: Sei höflich zur Zartbitter und klopfe an die Zigarrenkiste. Lass der Pflaume den Vortritt und huste mit vorgehaltener Kirsche. […]”
Oder
Roter Riesling
Da steht auf der Flasche:
“Urgroßriesling. Erster Schock: Der ist ja weiß. Zweiter Schreck: Der kann ja weich. Dritter Schwenk: Ich bin so weit. Viertens: urgroßartig”
Diese und weitere Hochgenüsse der Weinprosa findet ihr zum nachschmöckern hier:
https://www.evavollmer-wein.de/sortiment/unsere-weine/
Welche Prinzipien können wir für gute Weinbeschreibungen ableiten?
Eine Erdbeere, die auf deiner Nase herumtanzt und dann Party auf deiner Zunge feiert? Im Ernst?
Offenbar.
Ebenso wie: “Den Abend retten” und “Der Nasenflügel gibt das Aromenpaket an die gierige Zunge weiter..”
Lektion 1: Sie beschreibt weniger den Wein, sondern das Erlebnis damit.
Was haben eine Erdbeere im Zitronenkostüm, ein waschechter bartstoppelig rauer Cowboy und der Urgroßenkel – pardon, meinte natürlich Urgroßriesling des Rieslings gemeinsam?
Es sind Kunstfiguren, die starke greif-, riech-, seh-, und vorallem schmeckbare Bilder im Geist hervorrufen.
Lektion 2: Sie gibt dem Wein ein alter Ego und beschreibt die Platzhalter statt den Wein.
Sprache kann hypnotisieren, wenn sie unerwartet blüht:
“Sie schmeckten glücklich bis ans den Flaschenboden”
“gleichgeschlechtliche Genussvermählung”
“huste mit vorgehaltener Kirsche”
Lektion 3: Sie spielt mit der deutschen Sprache und verzaubert damit die banalsten Sätze.
Was macht ein Adjektiv besser? Genau, ein Zweites: “Bartstoppelig rau” Das versteht jeder. Ebenso wie “wahnisnnig lecker”.
Lektion 4: Sie erzeugt Spannung durch unerwartet lebendige Adjektivpaare. Solche Adjektivpaare wirken durch ihre herrlich widersprüchliche Zusammensetzung.
Was könnt ihr für eure Weinbeschreibungen mitnehmen?
Eval Vollmers Stil ist unverwechselbar. Und vor allem unkopierbar.
Jeder Versuch wäre erstens schlechter und zweitens vollkommen bruchstückhaft.
(Gegensätzliche Adjektivpaare entwickeln sich gerade zu meiner neuesten Faszination.)
Doch Frau Vollmers Prinzipien, die können uns sehr wohl weiter helfen.
Wie wäre es damit:
Beschreibt statt dem Wein die Arbeit, die man in ihm riecht und schmeckt.
Beschreibt den Duft der Weinberge im Sommer.
Beschreibt die kühle Sommerfrische des Regens, der das Wasser in die Traube bringt.
Beschreibt den sanft wirbelnden Tanz der Hefeflöckchen im Tank.
Beschreibt die Zufriedenheit nach harter körperlicher Arbeit.
Beschreibt den Geschmack eines Winzerlebens im Rhythmus der Natur.
Beschreibt die Reifung des Weins als den Geschmack des verwitternden Lössbodens
Beschreibt den Kuss tagesletzter Sonnenstrahlen, deren Tiefrot im Glas schimmert.
Beschreibt den Hauch einer Fruchtnote, die im letzten Moment noch fast aus der Presse geflüchtet wäre und gerade so eingefangen werden konnte.
Hey, so schwer ist das gar nicht, wenn man mal in Fahrt kommt =)
Bitte bringt eure Liebe zum Weinberg, zu den Pflanzen, zum Draußensein, zum Handwerk, Zur Familientradition und zum Wein nicht nur in die Flasche, sondern auch auf die Flasche!
Und wenn die Liebe nicht da ist, dann sucht euch einen Job in der Finanzindustrie. Da kann man ebenfalls ohne Freude arbeiten aber deutlich mehr Geld verdienen.
Over and out!
Photo von Brooke Lark auf Unsplash
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